Die Hongkonger-Debatte über Tieropfer geht am Thema vorbei

Gedankenloses Festhalten an einer Tradition der Opferung von Tieren macht das moderne Hongkong blind für die schlichte Wahrheit, dass das Leben der Tiere unseren Respekt verdient.

Es war ein schlecher Witz, als die Universität der Stadt Hongkong ihr neues veterinärmedizinisches Zentrum eröffnete, indem sie zeremoniell zwei gebratene Schweine zerstückelte. Noch bevor überhaupt irgendein Tier geheilt wurde, tötete man zwei.

Die ganz besondere Ironie des Rituals war natürlich ein Desaster für die Öffentlichkeitsarbeit, und die Universität reagierte darauf, indem sie alle Abteilungen dazu aufrief, nicht länger an “veralteten” Zeremonien festzuhalten.

Diese Reaktion gegen das gedankenlose Befolgen einer Tradition war natürlich zu erwarten gewesen, denn dass Tieropferungen als Feierlichkeit in einer hypermodernen, wohlhabenden, aufgeklärten und hochentwickelten Stadt wie Hongkong nichts mehr zu suchen haben, dürfte sich von selbst verstehen.

Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende.

Stattdessen gab es eine Gegenreaktion auf die Gegenreaktion –  und zwar von ganz unerwarteter Seite.

Die South China Morning Post ist eine ausgezeichnete Zeitung, doch ihre Darstellung der Sache geht offensichtlich an den wesentlichen Punkten vorbei.

Sie beschrieb die Entscheidung als “reflexhaft” und als “Verbeugung vor der Tyrannei einer Minderheit”.

In einem Kommentar schrieb der Herausgeber Yonden Lhatoo:

“Ich hab schon verstanden, dass es darum geht, im 21. Jahrhundert anzukommen und böse alte Sitten abzuschaffen, aber wir reden hier davon, Schweinefleisch zu essen, nicht von der Steinigung von Homosexuellen. Es handelt sich um eine Tradition, die jahrhundertelang oder sogar noch länger von den Chinesen mit Freude ausgeübt wurde, und sie reicht bis in altsumerische und altägyptische Zeiten zurück.”

Doch es geht bei dieser Debatte nicht um das Essen von Schweinefleisch, sondern um die Opferung von Tieren als Teil von Feierlichkeiten unter dem Deckmantel der “Tradition”.

In Vietnam hören wir dasselbe Argument, wenn es darum geht, das Schweineschlachtfest von Nem Thuong zu verteidigen. Unsere Anprangerung des Ereignisses führte zu einem nationalen Aufschrei, und das Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus erklärte, alle “veralteten” Festivals sollten ein Ende haben.

Nem Thuong pig chopping festival, Vietnam 2019

Die Hongkonger Tradition des Zerlegens von gebratenen Schweinen mag weniger grausig erscheinen, doch im Grunde ist es dasselbe: Ein Tier wird getötet, um eine menschliche Errungenschaft zu feiern, und das nennt sich dann Tradition.

Und da sind wir also wieder, um “Traditionen” zu bekämpfen, bei denen Tiere als Teil menschlicher Feierlichkeiten getötet werden, nur dass wir dieses Mal von einigen der höchsten Wolkenkratzern der Welt und der größten multinationalen Unternehmen umgeben sind.

Doch der beste Beweis dafür, dass die Zeitung den wesentlichen Punkt der Debatte verfehlt hat, besteht darin, dass sie wiederholt eine grundsätzlich falsche Frage stellt:

“Sollten jahrhundertealte, traditionelle Zeremonien mit gebratenen Schweinen zu besonderen Anlässen in Hongkong geächtet oder sogar verboten werden, um Tierfreunde zu besänftigen?”

Der moralische Aufschrei ganz normaler Hongkonger Bürger und die Entscheidung der Universität, die Zeremonien zu beenden, hat nichts damit zu tun, “Tierfreunde zu besänftigen”. Es geht darum, Leben und grundlegende Rechte von Tieren zu respektieren, wie es die Tiere selbst verdienen.

Just like us, pigs can live long, full lives

Alle Tiere sind empfindungsfähig. Sie haben Gefühle, ein Innenleben und nicht den geringsten Wunsch, zu unserer Unterhaltung oder für Feierlichkeiten zu sterben. Sie haben nur ein Leben, an dem ihnen genauso viel liegt wie uns an unserem.

Die Tatsache, dass so viele Hongkonger sich von der Zeremonie der Zerlegung gebratener Schweine abgestoßen fühlen, sollte uns nicht überraschen.

In einer Gesellschaft, die das Bedürfnis nach größerer Moralität und nach mehr Mitgefühl anerkennt, wird es als veraltet und grausam wahrgenommen, ein Tier für Feierlichkeiten zu töten.

Tatsächlich haben sich andere prominente Organisationen in Hongkong bereits vom gedankenlosen Befolgen grausamer Traditionen weg bewegt.

Die Hong Kong Film Awards Association verwendet inzwischen bei ihren Festlichkeiten gedämpften Kuchen anstelle von gebratenen Schweinen.

Den Grund hierfür brachte die Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit, Bonnie Wong, ganz wunderbar auf den Punkt: 

“Es ergibt einfach keinen Sinn, Schweine zum Vergnügen zu töten.”

Wenn es ein Argument gibt, das aus dieser Debatte nachhallt, sollte es dieses sein.