Warum es immer noch Bärengallefarmen in Vietnam gibt

7. Oktober 2014

Bears languish on a bear bile farm in Vietnam's Quang Ninh province, 2014 (5)

Bärengallefarmen sind in Vietnam seit über zehn Jahren verboten.  Tuan Bendixsen, der Direktor von Animals Asia Vietnam, erklärt, warum es sie nach wie vor gibt.

Die Haltung von Bären zur Gewinnung von Bärengalle ist ein ziemlich komplexer Sachverhalt und leider gibt es keine einfache Antwort darauf, warum das immer noch praktiziert wird. Für mich jedenfalls gibt es zwei Hauptgründe: das löchrige Gesetz und der anhaltende Bedarf.

Wenn ein neues Gesetz eingeführt wird, ist es niemals von vorneherein perfekt - egal in welchem Land. Es wird immer Gesetzeslücken geben, die gestopft werden müssen. Das liegt in der Natur der Sache und Vietnam macht da keine Ausnahme.

Streng genommen, sind Bärengallefarmen in Vietnam schon illegal, seit das Forstministerium 1992 die Notwendigkeit zum Schutz der Bären erkannte. Im Jahr 2002 erst wurden die Bären der CITES Gruppe 1 zugeordnet, die die Ausbeutung strikt unter Strafe stellt. Dennoch hat es bis nach 2005 gedauert, bis schließlich die ersten Artenschutzverordnungen in Kraft traten. Diese Verordnungen erklären Bärengallefarmen eindeutig für illegal, erlauben aber die Haltung von Bären, wenn gewährleistet ist, dass die Tiere gechipt sind und die Halter schriftlich versichern, den Bären unter keinen Umständen Galle abzunehmen.

Das Problem ist natürlich, dass niemand weiß, was auf den Farmen hinter verschlossenen Türen vor sich geht. Die Betreiber argumentieren nun, sie würden die Bären als Haustiere halten, tatsächlich ist aber die Haltung von Bären viel zu teuer und ohne den Verkauf von Bärengalle für sie kaum zu finanzieren.

So lange diese unbestimmte Definition der Bärenhaltung besteht, werden weiterhin neue Bären unter der Hand verschoben, um schließlich unter dem Abzapfen von Galle zu leiden.

Vietnam Director Tuan Bendixsen at VBRC

Wir sehen Beweise dafür in der Anzahl der illegal gehandelten Bärenkinder die wir bekommen. Die meisten, die im Norden entdeckt wurden, sind wohl für den chinesischen Markt vorgesehen, aber wir finden sie auch sonst überall im Land, was ein Hinweis darauf ist, dass sie für Farmen im Inland bestimmt sind.

Ein weiteres Problem ist die äußerst schwierige Beweislage. Die Tatsache, dass Bärengalle gezapft wird, reicht alleine nicht aus. Vielmehr ist es erforderlich den Betreiber auf frischer Tat dabei zu ertappen.

In China erreichen Bärengallefarmen schon industrielle Dimensionen. In Vietnam sind es eher Familienunternehmen, bei denen die meisten nur einen oder zwei Bären haben. Alleine in Hanoi gibt es etwa 220 Bären, die in bis zu 100 Betrieben gehalten werden. Wie soll nun die zuständige Behörde alle überwachen, um die Halter auf frischer Tat zu überführen?

Dazu kommt, dass diese Behörde natürlich auch noch andere Aufgaben hat und sich außer um Bärengallefarmen, um alle anderen Belange von Wildtieren kümmern muss.

Selbst in scheinbar eindeutigen Fällen, in denen der Betreiber beim Abzapfen der Bärengalle erwischt wurde, kann die Verfolgung schwierig werden.

In Vietnam stellen Grundsatzentscheidungen keinen Präzedenzfall für die tatsächliche Anwendung des Gesetzes dar. Stattdessen ist die Formulierung der Gesetzestexte für jeden Vorgang immer Gegenstand von Neuinterpretationen.

Im Jahr 2009 konnte ein Betreiber der Schließung seiner Farm und einer Gefängnisstrafe entgehen, weil der Gesetzestext besonders phantasievoll interpretiert wurde. In diesem Fall wurde dargebracht, dass Bärengalle nicht als dem Bär zugehörig, sondern vielmehr wie Blut, Speichel und Urin angesehen werden muss.

Bears languish on a bear bile farm in Vietnam's Quang Ninh province, 2014 (2)

Wenn im vietnamesischen Gesetz eine Formulierung nicht Hieb- und Stichfest ist, dann besteht immer  die Möglichkeit, sich irgendwie hindurch zu winden. Dass ein Gesetzestext alle möglichen Tierprodukte aufzählt, ist schlichtweg unmöglich. So bleibt der Text allgemein gehalten und bietet von Fall zu Fall eben Raum für alle möglichen Auslegungen.

Es wurde zwar begonnen, die Verordnungen neu zu formulieren, um Gesetzeslücken und Grauzonen zu schließen, aber bis diese Veränderungen greifen, ist es ein langer Weg.

Die Nachfrage regelt das Angebot

Und wenn die Gesetze noch so wasserdicht sind, Bärengallefarmen verschwinden nicht über Nacht. Der weitaus wichtigere Punkt ist nämlich die Nachfrage.

Zwar sank der Bedarf in den letzten Jahren, aber er ist immer noch da. Und so lange es einen Bedarf gibt, existieren auch weiterhin Bärengallefarmen.

Deshalb müssen wir unsere Aufklärungsarbeit fortsetzen, eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erreichen und mit Fachleuten der traditionellen Medizin zusammen arbeiten.

Eine Umfrage im Jahr 2011 hat ergeben, dass 40% der 60.000 Ärzte, die traditionelle Medizin betreiben, Bärengalle verschreiben. Wir versuchen diese Zahl nach unten zu bringen, denn, wenn Bärengalle weiterhin verschrieben wird, wird sie auch produziert, ganz gleich, wie gut die entsprechenden Gesetze sind.

Tuan in a bear farm in Ha tay district - Hanoi

Unglücklicherweise gibt es immer noch eine positive Einstellung gegenüber Bärengalle und der Glaube an die gesundheitliche Wirkung ist ungebrochen.

Diese Einstellung wäre sicher eine andere, wenn der Gebrauch von Bärengalle etwa die gleichen negativen Konsequenzen wie der Konsum von Heroin hätte, also Sucht, sozialer, wie wirtschaftlicher Verfall, bis hin zum Tod. Nun fallen Heroin und Bärengalle zwar unter dieselbe Kategorie, nur herrscht bei Bärengalle bisher kein Einsehen, da noch so viele von der vorteilhaften Wirksamkeit überzeugt sind. Die meisten meinen überdies, die Extraktion von Galle ist so etwas wie Blut Spenden und insofern kaum ein Problem für den Bären.

Genau deshalb ist Aufklärung hier von übergeordneter Wichtigkeit. Niemand, der die Grausamkeit und das Leiden auf Bärengallefarmen gesehen hat, kann noch behaupten es sei harmlos. Und wenn Ärzte der traditionellen Medizin erst einmal von der Wirksamkeit pflanzlicher oder synthetischer Alternativen überzeugt wurden, können sie diese Erkenntnis ihren Patienten, Freunden und Kollegen weiter vermitteln.

Das Problem der Bärengallefarmen, kann nicht alleine aus einer Richtung gelöst werden. Wir müssen dem Sachverhalt von zwei Seiten begegnen. Einerseits muss durch den Erlass strenger Gesetze von oben auf die Ausmerzung der Farmen hingewirkt werden und andererseits muss durch Aufklärung von unten her ein anderes Bewusstsein als Basis geschaffen werden. Nur so werden Bärengallefarmen eines Tages Geschichte sein.

Animal Voices


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