Belastbarkeit und Mitgefühl sind Rüstzeug für Tierärzte

31. Juli 2014

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Dass Tierärzte und Tierpfleger besonders mitleidsfähige Individuen sind, ist wahrscheinlich selbstverständlich.

Die Arbeit bei Animals Asia – wir sprechen hier von Untersuchungen an Bären, die zuvor in haarsträubenden Zuständen gefangen gehalten wurden – erfordert darüber hinaus viele weitere Qualitäten.

Unser Team zeichnet sich durch Konzentrationsfähigkeit, Durchhaltevermögen und Unerschrockenheit aus. Bei der täglichen Arbeit in Nanning sind dies geradezu überlebenswichtige Eigenschaften.

Ein Bär, dessen Schmerzen gelindert wurden, kann letztendlich genesen. Ein Bär, der eingeschläfert werden muss, ist frei von Schmerz und Leid, doch er wird nie wissen, was Freiheit bedeutet.

Unter einfachsten Bedingungen ermittelten unsere Tierärzte den Gesundheitszustand von 12 Bären. Heute stellen wir Ihnen die Berichte unseres Ärzteteams zu den verbliebenen sieben Bären vor. Notizen über die fünf vorher untersuchten Bären finden Sie hier.

Sniffy operated on

Sniffy

Sniffy nicht sofort ins Herz zu schließen ist quasi unmöglich. Er ist äußerst neugierig, hat zwei der größten Micky-Maus-Ohren, die Sie je zu Gesicht bekommen werden und er frisst für sein Leben gern.

Ortsansässige Veterinärin Mandala Hunter-Ishikawa:

„Sniffy wurden 2 Eckzähne entfernt und er war aus verschiedenen Gründen ernsthaft abgemagert. Unter anderem waren der schlechte Zustand seiner Zähne und eine Fistel, die zur offenen Entnahme seiner Gallenflüssigkeit diente, dafür verantwortlich. Wir fanden außerdem Anzeichen einer mit seinem Magen verwachsenen Narbe. Vermutlich der fehlgeschlagene Versuch einer Operation seiner früherer, sich als „Chirurgen“ betätigenden Besitzer.“

Vet team work on Sniffy

„Die Fistel ist zu einer Zyste verheilt und das in der Zyste gebildete Gewebswasser hat offensichtlich geholfen, seinen Körper vor weiteren Schäden durch die infizierte Wunde zu schützen. Die Gallenblase darunter ist mit der Bauchdecke verwachsen, aber es gibt zur Zeit keine Hinweise auf Gallensteine. Ich kann mir kaum vorstellen, wie furchtbar er sich fühlen muss. Jeder seiner Atemzüge hat durch die Anwachsungen zur Folge, dass sich seine Leber, sein Magen und seine Gallenblase mitbewegen.“

„Wir tun unser Bestes für Sniffys Wohl, aber er ist so ausgemergelt und schwach, dass wir in nächster Zeit gesondertes Augenmerk auf seine Entwicklung legen.“

 Phoenix

Phoenix ist ein wunderschöner, schwarzer Bär und nicht nur ihr glänzendes Fell hat von der erheblich besseren Ernährung profitiert, die sie in den letzten Monaten genossen hat. Weil Phoenix jedoch lange Zeit der Gallegewinnung dienen musste, ist es zur Vermeidung künftiger Komplikationen angezeigt, ihre Gallenblase zu entfernen.

Ortsansässige Veterinärin Emily Drayton:

„Phoenix weist eine ausgeheilte Entnahmefistel auf. Die Ultraschalluntersuchung ihrer Bauchhöhle zeigte eine verdickte Gallenblase, die noch dazu mit ihrer Bauchwand verwachsen ist. Glücklicherweise fanden wir keine Anzeichen von Gallensteinen und sonstigen Ultraschallbefunden. Dennoch werden wir Phoenix einer Cholezystektomie (Entfernung der Gallenblase) unterziehen."

Shafer

Der bemitleidenswerte Shafer ist unglaublich dürr und leidet an einer Vielzahl von Krankheiten, inklusive einer Arthritis sämtlicher Gliedmaßen.

Seine Zähne waren in sehr schlechtem Zustand. Sämtliche vier Eckzähne wurden bis auf das Zahnfleisch abgesägt und hinterließen in der Folge freiliegendes Zahnmark und offene Nervenenden. Außerdem eine Infektion, die unsere Tierärzte bereits eindämmen konnten.

Ortsansässige Veterinärin Mandala Hunter-Ishikawa:

„Shafers vernarbter Unterleib ist das Ergebnis der Galleextraktion. Narbengewebe erstreckt sich bis hin zu seiner Leber. Der Ultraschall zeigte eine besorgniserregend verdickte Gallenblase und einen Gallenstein. Wir hoffen, dass er zusätzlich bald von Augenärzten untersucht werden kann, die vielleicht in der Lage sind, den grauen Star in seinen beiden Augen zu lindern."

Charlotte Sometimes

Charlotte Sometimes ist nach wie vor extrem dünn. Trotz optimaler Ernährung macht sie nur kleine Fortschritte.

Glücklicherweise fanden wir keine Hinweise auf eine Galleextraktion, ihre Leber und Gallenblase sind in gutem Zustand. Gesünder als erwartet waren ihre Zähne. Nur ein Eckzahn musste Charlotte gezogen werden.

Ortsansässige Veterinärin Emily Drayton:

„Das Ultraschallbild war erfreulich, jedoch fanden wir ein verdicktes Uterushorn, das verschiedene Ursachen haben kann, einige davon bedrohlich. Wir haben Charlotte deshalb eine Langzeittherapie mit Antibiotika und Entzündungshemmern verschrieben. Sie hat einen schönen, dichten Pelz mit einem bildhübschen Halbmond und ihre Chance auf vollständige Genesung ist mittlerweile ausgezeichnet."

Sashi

Während wir Sashi untersuchten, stellten wir fest, dass ihre Eckzähne nicht etwa fehlten, weil ihre Fänger sie entfernten. Tatsächlich biss sie sie sich in Verzweiflung selber an den metallenen Gitterstäben ihres Käfigs aus.

Davon abgesehen, erscheint ihre Gesundheit in gutem Zustand. Die Ultraschalluntersuchung verlief befundlos und ihr mittlerweile glänzendes Fell ist ein Effekt der nährstoffreichen Kost, die wir ihr verabreichen.

Ortsansässige Veterinärin Mandala Hunter-Ishikawa:

„Sashi erträgt ihre Zahninfektion äußerst tapfer. Zum Glück konnten wir sie rechtzeitig, bevor die Infektion systemisch werden und auf ihren gesamten Körper übergreifen konnte, in unsere Behandlung bringen. Nun, da die verfaulten Zähne entfernt sind und Sashi sich wieder einer guten Ernährung erfreut, wird sie in Kürze wieder auf die Beine kommen."

Olivia

Olivias Eckzähne wurden bis auf das Zahnfleisch zurückgeschnitten und hinterließen übelriechende Entzündungsherde.

Ihr Kopf ist als Folge stereotypen Schlagens gegen die Gitterstäbe des Käfigs mit Wunden übersät und ihre Krallen wurden in stümperhafter Weise amputiert.

Ortsansässige Veterinärin Emily Drayton:

„Die Entzündung der vergammelten unteren Eckzähne griff bereits auf das umliegende Knochenmaterial im Kiefer über. Zusätzlich fanden wir zwei eiternde Fisteln in ihrem Maul. Eine Ultraschalluntersuchung ihres Unterleibs ergab glücklicherweise keine Abnormalitäten. Die Krallen ihrer Vorderpfoten wurden anscheinend laienhaft abgeschnitten. Infolgedessen fanden wir zwei Krallen, die in das Pfoteninnere eingewachsen waren. Wir entfernten Ihre kaputten Zähne, brachten die Infektion ihres Kieferknochens unter Kontrolle und erwarten jetzt ihre vollständige Rehabilitation."

Hazel

Zu Beginn der Woche sah Hazel schon weit besser aus als zu ihrem Gesundheitscheck letzte Woche. Wir waren zwar sehr erfreut über ihre Fortschritte, doch die Sorgen um ihre Mobilität blieben. Sie zeigte Anzeichen einer geschwächten Wirbelsäule und möglicherweise hatte sie Schmerzen beim Laufen. Da wir auf der Bärenfarm keine Möglichkeit zur Röntgenuntersuchung hatten, mussten wir annehmen, dass das Problem von Arthritis und chronischer Mangelernährung herrührte.

Hazel konnte zwar die paar Stufen hinauf zu ihrem Käfig klettern, aber wir machten uns dennoch viele Gedanken um sie. Eigentlich hatten wir geplant, sie diese Woche im Rahmen einer Zahnbehandlung erneut zu anästhesieren, jedoch befürchteten wir, dadurch weitere Schäden an ihrem ohnehin beeinträchtigten Bewegungsapparat zu riskieren. Betäubungsmittel, vor allem langwirkende, wie sie bei Zahnoperationen verwendet werden, können einen Bärenkörper stark belasten und hätten wohlmöglich Hazels größtes Problem – ihre Bewegungsbehinderung –  noch verschärft. Wir entschieden uns deshalb dafür, die schmerzlindernde Medikation fortzusetzen und sie weiterhin genau im Auge zu behalten.

Ende der Woche sahen wir uns unerwartet zu einer Neubewertung von Hazels Gesundheitszustand gezwungen, als sie plötzlich kollabierte. Die Prognose für die arme Hazel war letzten Endes so desaströs und hoffnungslos, dass unserem Ärzteteam keine andere Möglichkeit blieb, als sie sanft entschlafen zu lassen.

Die Obduktion enthüllte einen ganzen Katalog von gesundheitlichen Problemen: Hazel litt unter anderem an einer kongestiven Hepatopathie (Leberstauung), atrophierten (geschrumpften) Nieren mit verfärbten Arealen, sowie an einer Herzerkrankung.


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