Bären sind nicht nur schlau – sie verstehen auch Spaß

27. Oktober 2014

Laughing Bear AAF Nov 27 11

Es wird ja gesagt, dass Bären von Natur aus empfindsame und intelligente Tiere sind, aber Bärenexpertin Else Poulsen geht einen Schritt weiter. Sie geht davon aus, dass Bären mit Sicherheit auch Spaß verstehen.

Lesen Sie hier ihren faszinierenden Artikel über den Humor von Bären, in dem sie erklärt dass:

-          die Wahrnehmung der Bären ihnen erlaubt Witze zu „verstehen“

-          Bärenkinder es lieben zu spielen, besonders zu raufen

-          Bären lächeln wie Menschen und lachen „wie die Muppets“

-          das Bären das seltsame „Kopf im Maul“ Spiel irre finden

Im Jahr 2012 unterzeichnete eine eindrucksvolle Gruppe von Neurowissenschaftlern die ‘The Cambridge Declaration’ für Tierbewusstsein, in der erklärt wird, dass Tiere eine Selbstwahrnehmung haben, Emotionen ausdrücken können, in der Lage sind Probleme zu lösen und ihre Umgebung zu ihrem Vorteil gestalten können.

Und all das tun sie gezielt!

Das mag zunächst selbstverständlich erscheinen, diese Proklamation ist aber aus einer Reihe von Gründen trotzdem von Bedeutung. Erstens, wenn fast 2.000 führende Neurowissenschaftler erklären, dass Tiere, und zwar nicht nur Säugetiere, die neuroanatomische, neurochemische und neurophysiologische Ausstattung für ein Bewusstsein mit sich bringen, gepaart mit der Fähigkeit bewusstes Verhalten an den Tag zu legen, gibt es im allgemeinen keine Widersprüche, denn die Neurowissenschaft basiert mehr auf messbaren, harten Fakten, statt auf Ansichten. Zweitens ist diese Proklamation eine enorme Bestätigung für Tierbetreuer, wie etwa die Mitarbeiter von Animals Asia und auch für mich selbst, die wir unentwegt beteuern, dass Bären wirklich Verstand haben.

A white spirit bear fishing in the Great Bear Rainforest 4

Alle Bären haben eine ganze Reihe von Fähigkeiten, die es ihnen erlauben, permanent zahlreiche und sich verändernden Signale komplexer Umgebungen aufzunehmen und zu deuten. Wenn man Bilder eines fischenden Kermodebär aus dem Great Bear Rainforest in British Kolumbien, Kanada betrachtet, kommen einem zunächst Begriffe in den Sinn, wie Sehen, Schmecken, Hören, Tasten, Riechen, Denken, Konzentration, Balance, Hunger, Bewegung, Erfolg und Problemlösung. Bären in Gefangenschaft sind genetisch mit den gleichen Fähigkeiten ausgestattet, um Einflüsse aus ihrer Umgebung zu empfangen, sie zu deuten und darauf zu reagieren. 

Betreuer von Bären in der Gefangenschaft, haben eine einzigartige Gelegenheit, die Biologen, Neurowissenschaftlern oder Psychologen von Bären in der Wildnis nicht so ohne Weiteres geboten wird. Sie betreuen die selben Bären über einen längeren Zeitraum und lernen sie als individuelle Persönlichkeiten kennen. Dabei kommt die wahre Komplexität des Verhaltens von Tieren zum Vorschein, vergleichbar mit dem Kennenlernen ihres Hundes.

A white spirit bear fishing in the Great Bear Rainforest 5

Es ist allgemein bekannt und akzeptiert, dass Bärenkinder sich gerne balgen, dafür spricht schon die überwiegende Mehrzahl aller Berichte und Beobachtungen. Es wird angenommen, dass das Balgen eine Anzahl von vorteilhaften Entwicklungen unterstützt, wie zum Beispiel die Vorbereitung auf defensive und offensive Interaktionen als erwachsener Bär, den Zuwachs und die Erhaltung entsprechender Muskelmasse, und die Steigerung der komplexen Anreize aus der Umgebung um die Entwicklung des Gehirnes zu fördern. Spielverhalten ist bei Tierkindern in der Wildnis zu beobachten, und man muss kein Experte sein, um dieses Verhalten zu verstehen. Auch wenn wir die Tiere nicht direkt danach fragen können, ob sie dieses Verhalten eigentlich genießen, gehen wir davon aus, dass sie es tun. Man mag sich doch einfach in die eigene Kindheit zurück versetzen. Wie auch immer, eines Tages fand ich mich in einer Situation, in der ich überlegen musste, ob Bären eigentlich Humor haben.

Im Zoo der Stadt Calgary in Kanada, arbeitete ich intensiv mit einem Grizzlypärchen mit den Namen Skoki und Khutzy. Skoki war ein riesiger, zehn Jahre alter, männlicher Bär, der kürzlich als sogenannter Problembär aus dem Banff National Park geholt wurde. Obwohl er schon vorher durch einige Futterdiebstähle einschlägig bekannt war, wurde er eigentlich erst fest genommen, als er am helllichten Tag durch eine offene Tür einer Bäckerei in Lake Louise spazierte. Khutzy war eine in Gefangenschaft geborene, resolute Bärin, gerade mal halb so groß, wie Skoki, aber genau so alt. Obwohl beide die selbe genetische Ausstattung eines Braunbären hatten, kamen sie doch aus verschiedenen Kulturen. Khutzy kannte kein Leben in der Wildnis und Skoki hatte einiges damit zu tun, mit dem Leben in Gefangenschaft zurecht zu kommen. Nach einigen anfänglichen Meinungsverschiedenheiten, kamen sie schließlich gut miteinander aus und verbrachten sogar einige Zeit damit, wie Bärenkinder mit einander zu spielen. Am Ende der Spielphasen, gab es jeweils eine Menge Lächeln, auch mit offenem Maul, was wir Lachen nennen, und lässiger, überzogener Gebärden. Eines Tages konnte ich erstaunt beobachten, wie Khutzys Gesicht förmlich in Skokis gigantischem Maul verschwand. Skoki saß auf seinem Hintern und hatte das Maul weit geöffnet. Khutzy stand auf ihren Hinterbeinen und versuchte ihren Kopf vollständig in Skokis Maul zu stopfen! Ich setzte mich, wo ich gerade war, auf den Boden und schaute still zu.

Khutzy trying to cram her entire head into Skoki's mouth at Calgary Zoo, Canada

Bären spielen zwar recht grob, aber meistens stumm miteinander. Bären lächeln aus Selbstzufriedenheit, aber genau wie Menschen, indem sie beide Mundwinkel hoch ziehen. Sie lachen wie Gorillas, mit weit geöffnetem Maul und nickendem Kopf, ganz wie manche der Muppets von Jim Henson. Khutzys Ausflüge in Skokis Schlund wiederholten sich immer wieder und zwischendurch lächelten und lachten beide. Da ich ein derartiges Verhalten noch niemals bei Bären beobachtet hatte, machte ich Fotos und Aufzeichnungen. Ich fragte mich, ob Skoki und Khutzy dieses Spiel erfanden, um friedlich miteinander aus zu kommen. Skoki war fast doppelt so groß wie Khutzy und wenn er gewollt hätte, hätte er sie erheblich verletzen können. Durch das Verhalten könnte Vertrauen zum Ausdruck gebracht worden sein: Khutzy demonstrierte dass sie Vertrauen zu Skoki hat, indem sie ihren Kopf in sein Maul steckte und Skoki erwies sich als vertrauenswürdig, indem er nicht zu biss. Leider habe ich keine bessere Erklärung für dieses Verhalten.

Ein paar Jahre später, arbeitete ich im Zoo von Detroit mit einem wilden, acht Monate alten, amerikanischen Schwarzbärenjungen namens Miggy. Sie wurde von besorgten Menschen gefunden, die Schnauze voller Nadeln eines Stachelschweines, und zu einem örtlichen Tierarzt gebracht. Nachdem die Stacheln entfernt wurden, brachte man sie, statt zu versuchen sie wieder zu ihrer Mutter zu bringen, die sich noch in der Nähe aufhielt, in einen kleinen Zoo, der kaum in der Lage war sie richtig zu halten. Später zog Miggy in den Zoo von Detroit und ich wurde ihre Ersatzmutter. Mir war klar, dass Miggy genetisch erwarten konnte, dass sich eine Mutter um sie kümmert und erzieht und so arbeitete ich daran, diese Dinge zu simulieren. Wir putzten und aßen gemeinsam Nahrung, balgten herum und hielten zusammen ein Schläfchen. Ich versuchte ihr bei zu bringen, wie man ein Nest baut, indem ich wie verrückt Stroh zusammen rechte und aufbauschte, ganz so, wie ich es bei anderen Bären gesehen habe. Solche Unterfangen endeten ausnahmslos in tumultartiger Toberei und am Ende lag das Stroh überall, nur nicht schön gehäufelt an einer Stelle. Es war in einem dieser Augenblicke des blanken Chaos, als Miggy, während ich lachte , versuchte ihr Gesicht in meinen Mund zu stecken. Anfänglich gelang es ihr sogar irgendwie, weil ich nicht darauf vorbereitet war, was sie vor hatte. Sie purzelte zurück in das Stroh und lachte mit offenem Maul und wiederholte den Vorgang immer wieder. Ich versuchte voraus zu sehen, wann es wieder so weit war um Miggys Tauchgänge in meinen Rachen zu verhindern. Nicht, dass ich ihr den Spaß verderben wollte, es war so, dass ich nur zu genau wusste, wo diese Nase vorher schon überall war und ich war nicht wirklich scharf darauf sie in meinem Mund zu haben! Sie zeigte dieses Verhalten oft und jedes mal schien es, als wenn es ihr einen Riesenspaß machte.

Else Poulsin with Bear cub Miggy at Detroit Zoo

Ich habe mich gefragt, woher dieses Verhalten wohl kommen könnte und habe es nun bei zwei Bärenarten, beiden Geschlechtern und verschiedenen Altersgruppen beobachtet. Wenn eine Bärenmutter ihre Jungen im Revier begleitet, schnüffeln die Bärenkinder dauernd am Atem der Mutter, vermutlich, weil es ihnen Aufschluss darüber gibt, was die Mutter gefressen hat, um das schließlich nach zu ahmen.

Ich habe keine Ahnung, wie sich das zu einem Spielverhalten oder Witz entwickeln konnte. Es wird gesagt, dass Humor durch das Zusammenspiel vieler beteiligter Elemente zustande kommt. Dazu gehört das gemeinsame Verständnis über eine Ungereimtheit in Verbindung mit einem Überraschungseffekt und einem gruppendynamischen Aspekt. Kurz gesagt: Humor ist nichts für Weichlinge. Er ist komplex, fordert einen gewissen Intellekt und eine gute Portion emotionale Robustheit. Allgemein den Menschen als angeboren zugesprochen, gerät Humor bei Tieren langsam in den Fokus des Interesses der Forschung. Ist jetzt also Rachentauchen ein Bärenwitz? Ich weiß es nicht, aber es steht fest, dass es wahnsinnig komisch ist, solange man ein Bär ist. 

Bear Expert Else Poulsen

****

Animals Asia Gründerin Jill Robinson über spaßende Bären:

“Wir schulden Else etwas für ihre Forschung und dafür, dass sie das hier mit uns teilt. Wir sind überzeugt davon, dass Bären zu Humor in der Lage sind. Nicht nur wir lachen hier täglich über Witze der Mondbären, wir sehen ganz deutlich, dass die Bären die Späße ebenso verstehen.

Darüber hinaus glauben wir, dass Bären zu der ganzen Palette an Emotionen, wie wir sie haben, in der Lage sind und zwar ebenso intensiv.

Jeder Tierpfleger kann ihnen erzählen, dass ihre Schützlinge nahezu grenzenlos Gefühle zum Ausdruck bringen können, aber vielleicht haben wir gelernt uns selbst etwas vor zu machen, wenn wir betroffene Tiere sehen. Vielleicht auch wegen unseres schlechten Gewissens, das wir wegen der Ausbeutung von Tieren haben und weil wir nur zu gerne und gegen besseres Wissen, auf Wissenschaftler hören, die unser Fehlverhalten entschuldigen.

Wenn wir Mondbären retten und rehabilitieren, beginnen wir damit zu versuchen ihrer Persönlichkeit auf den Grund zu kommen. Persönlichkeiten, die hinter extremen Schmerzen und Tristesse verschwanden. Zu lernen, sich in die Position eines Tieres hinein zu versetzen, ist für maßgebender Schritt im Tierschutz. Es geht nicht nur darum Gefühle bei Tieren zu verstehen und von ihnen überzeugt zu sein, es geht darum diese Überzeugung auf alle Spezies anzuwenden. Genau, wie unser Instinkt uns schon immer gezeigt hat.”


ZURÜCK