Monica Bando: Mein Leben als Tierärztin bei Animals Asia

26. Februar 2014

Monica Bando at work

Im Januar 2010 kam ich als Tierärztin zu Animals Asia in das chinesische Bärenrettungszentrum (CBRC) in Longqiao, Provinz Sichuan. Am Ende dieses Jahres wurde ich zur Leitenden Tierärztin ernannt. Eine Aufgabe, die ich dankbar aber doch sehr nervös akzeptierte.

Seit ich Jill Robinson, die Gründerin von Animals Asia und eine wahrhaft unglaublich inspirierende Frau, zum ersten Mal traf bis zum Kennenlernen immer weiterer Mitglieder des Teams, der weltweiten Familie, die Animals Asia ist, bin ich wirklich dankbar für die Gelegenheit, an der Mission zur Beendigung der Grausamkeit an Tieren teilzunehmen.

Wer unsere Rettungszentren in China und Vietnam nicht besucht hat, kann sich schwer vorstellen, wie das Leben und die Arbeit für uns sind. Dank einer Gründerin und einer Organisation, die die Versorgung der geretteten Bären über alles stellt und dank unglaublich großzügiger Sponsoren und Spender haben wir das Privileg, ein erstklassiges, spezialisiertes Krankenhaus mit erstklassigen Geräten zu haben. Eine wirklich beeindruckende Einrichtung, die die Bären auch verdienen.

Wir leben und arbeiten auf dem Gelände des Rettungszentrums. Daher verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit häufig. Die Arbeit im CBRC ist eine wirklich einzigartige Erfahrung und bringt viele Höhen und Tiefen mit sich. Die Tage sind unberechenbar. Einmal freut man sich, weil die Bären in den Teichen umherplanschen und dann muss man gleich einen kranken Bären zum CT-Scan ins örtliche Krankenhaus bringen. Nicht zu reden von den nur zu häufigen Internetausfällen oder den Anfragen von Behörden, sofort einen Makaken aus einem Restaurant zu retten. Die Pein, wenn man kranke oder verlassene Welpen oder Kätzchen einschläfern muss oder die Erschöpfung nach einer 10-stündigen Operation oder langdauernder Zahnbehandlungen bei einem Bären sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Und dann sind da noch diese unbeschreiblichen Gefühle, wenn ein Bär aus seinem Käfig kommt und zum ersten Mal in 30 Jahren Gras unter seinen Sohlen spürt oder wenn man Bärenpfleger dabei beobachtet, wie sie sorgfältig gemachte Blumengirlanden auf das Grab eines Bären legen. Nie zuvor wurde meine Gefühlswelt täglich so sehr hin- und hergerissen.

Monica performs an eye examination

Bären sind unglaublich intelligent. Einige sind recht verspielt, andere nervöser. Doch die meisten sind sehr neugierig und vor allem sind sie nicht nachtragend. Bären sind auch unglaublich stoisch und zeigen Schmerz oder Unwohlsein nicht wie andere Tiere. Unsere Herausforderung ist es, diese Gruppe ehemals missbrauchter Tiere, die jetzt alt wird, mit der bestmöglichen Pflege für den Rest ihrer Tage zu versorgen.

Bei einigen Bären fehlen Gliedmaßen, weil sie in Fallen gefangen wurden, anderen haben die Farmer die Klauen herausgerissen oder es wurden ihnen die Zähne abgebrochen. Manchmal kommen sie an und haben Wunden, die durch stereotypes Verhalten entstanden sind. Ein solches Verhalten wird ausgelöst von chronischem Stress, Angst und Schmerzen. Leider sind diese äußerlichen Wunden oft nur die Spitze des Eisbergs und die überwiegenden Schäden sind unter der Haut. Im CBRC sind über 30% der geretteten Bären an Leberkrebs gestorben. Die zweithäufigste Todesursache ist die nachlassende Beweglichkeit und/oder Lähmung des Rückgrats. Die Mehrzahl der geretteten Bären bekommt starke Arthritis und hat abnormes Wachstum auf Grund der engen Käfige oder weil sie ein Metallkorsett tragen mussten. Die dritthäufigste Todesursache sind Herzerkrankungen – besonders Aneurysmen der Aorta. Eine wachsende Zahl unserer Bären bekommt Probleme mit den Nieren, den Augen und leidet an Bluthochdruck. Viele dieser Krankheiten wurden kaum oder noch nie bei Bären gefunden. Warum leiden diese geretteten Bären daher an so vielen Krankheiten?

Nach drei Jahren des Lebens und Arbeitens hier im CBRC fasste ich schweren Herzens den Entschluss, sie im Januar 2013 zu beenden. Doch Animals Asia steckt in mir und ich wusste, dass ich weiter helfen wollte. Im letzten Jahr bin ich drei Mal zurückgekommen um dem Tierärzteteam beizustehen und ich arbeite jetzt an meiner Doktorarbeit über die Gesundheitsprobleme und Krankheiten bei Gallebären. Dies wird uns hoffentlich Antworten auf einige wichtige Fragen geben mit Hilfe des Bergs wertvoller Informationen seit dem Beginn der Bärenrettung im Jahr 2000.

Wir läuten das Jahr des Pferdes ein und ich schaue zurück und denke an die beglückenden Augenblicke meines Lebens hier im CBRC.

Neben meiner Hauptaufgabe, der Versorgung der geretteten Bären, konnte ich auch bei verschiedenen Programmen zur Förderung des Tierschutzgedankens mitmachen. Von der Stärkung der Fähigkeiten von Tierärzten und Tierarztstudenten vor Ort, über Initiativen zur Unterstützung von Tierheimen nach Massenrettungen von Hunden und Katzen, die für die Fleischmärkte bestimmt waren bis zu Workshops mit Fachleuten aus Zoos, um den gefangenen Wildtieren hier in China bessere Standards zu bieten. Diese Erfahrungen gaben mir die Möglichkeit, die besonderen Herausforderungen für die wachsende Zahl der professionellen Tierärzte, Tierarztstudenten und Tierpfleger – aber auch Tierliebhaber – in China kennenzulernen, die so verzweifelt für bessere Standards im Tierschutz und einer freundlicheren Welt für die Tiere kämpfen.

Bei meiner ersten Rettung im April 2010 holten wir 10 Bären aus der letzten Bärengallefarm in der Provinz Shandong. Die anstrengenden 4 Tage auf der Straße, dabei steckten wir eine ganze Nacht fest in einem Stau, und die Notoperation bei einem Bären auf der Ladefläche eines Lastwagens bleiben mir auf immer in Erinnerung. Mitten in der Nacht kamen wir zurück ins Rettungszentrum, wo eine große Gruppe Mitarbeiter von Animals Asia diese Bären in ihrem neuen Heim begrüßte. Auch buddhistische Mönche warteten auf die Ankunft der Bären, um sie zu segnen.


Ich werde die umfangreichen Bauchoperationen nicht vergessen, die wir bei jedem der geretteten Bären durchführen mussten, um nach Anzeichen von Leberkrebs zu suchen, die eingepflanzten Katheter oder sonstige Fremdkörper und schließlich auch die schrecklich entzündeten Gallenblasen zu entfernen. Diese Operationen dauerten zwischen 4 bis 12 Stunden, je nach Umfang der Schäden, die bei den Bären durch das tägliche Abzapfen der Galle im Lauf der vielen Jahre in den Käfigen der Gallefarm verursacht worden waren.

Trotz der grausigen Umstände waren diese Operationen für mich von besonderer Bedeutung. Ich konnte jeden Bären dabei beobachten, wie er aus der Narkose erwachte, ohne dass ein Stahlrohr oder Latex Katheter aus einem schmutzigen Loch im Bauch herausragte, ohne dass infizierte Galle und Eiter heraustropften und die Haut verschmiert und das Fell verklebt war. All das ist jetzt vorbei. Nach der Operation konnte jeder Bär an sich herabsehen und sah nur saubere Haut und einen sorgfältig vernähten Einschnitt, der einen sauberen Bauch ohne kaputte Gallenblase, ohne Gallensteine, Fremdkörper oder sonstigen Dingen bedeckte, die ihm ständig Schmerzen bereitet haben. Von diesem Tag an konnte die Heilung beginnen. Als Tierärztin sind es all die Jahre des Studiums, der Anstrengungen und des Trainings wert, wenn man einen solchen Augenblick, eine solche Erfahrung machen kann.

Ich bleibe dankbar für jede einzelne Erfahrung, seit ich 2010 bei Animals Asia angefangen habe. Denn meine Zuneigung für alle Tiere, einschließlich der Menschen, ist dadurch immens gewachsen und hat mir geholfen, eine bessere Tierärztin, ein besserer Mensch zu werden.

Ich wünsche Ihnen und China und allen Lebewesen auf dem Planeten Sicherheit und Heilung für 2014, dem Jahr des Pferdes! Xin Nian Kuai Le!

Monica operates on a bear's teeth


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